Gehörschutz am Arbeitsplatz: Warum Lärmprävention entscheidend ist

Gehörschutz am Arbeitsplatz: Warum Lärmprävention entscheidend ist

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Lärm am Arbeitsplatz ist mehr als nur störend – er kann das Gehör dauerhaft schädigen und die Gesundheit der Beschäftigten stark beeinträchtigen. Mit gezielten Präventionsmaßnahmen und dem richtigen Gehörschutz lassen sich die Risiken deutlich reduzieren. Worauf es dabei ankommt, erklärt Dr. Gilbert Engin-Deniz, Arbeitsmediziner in der AUVA-Landesstelle Wien.

Lärm zählt zu den unterschätzten krankmachenden Faktoren im beruflichen Alltag. Rund 500.000 Arbeitnehmer:innen in Österreich sind regelmäßig gehörschädigendem Lärm ausgesetzt. Das spiegelt sich auch in der Statistik der Berufskrankheiten, denn die sogenannte Lärmschwerhörigkeit (BK 5.1.1 bzw. bis 01.03.2024 BK 33) ist die häufigste anerkannte Berufskrankheit. Bei dieser Form der Erkrankung werden durch Lärmbelastung die feinen Haarzellen im Innenohr, die für die Wahrnehmung und Weiterleitung von Schall verantwortlich sind, zerstört. Diese Nervenzellen können nicht mehr regeneriert werden. Das heißt, das Gehör bleibt für immer beeinträchtigt.

Doch die Folgen von Lärm reichen weit über das Hörvermögen hinaus. Lärm wirkt als erheblicher Stressfaktor, kann Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen, führt zu rascher Ermüdung, Konzentrationsproblemen und erhöht die Fehleranfälligkeit. Selbst Geräuschpegel unterhalb von 85 dB, die zwar nicht als unmittelbar gehörschädigend gelten, können psychisch und körperlich belastend wirken. Selbst wenn eine Gehörgefährdung ausgeschlossen ist, lohnt es sich daher, präventive Maßnahmen im Betrieb zu ergreifen.

Ab wann wird Lärm gefährlich – und welche Maßnahmen greifen?

Die Grenzwerte für Lärm am Arbeitsplatz sind gesetzlich klar geregelt – und zwar in der Verordnung Lärm und Vibrationen (VOLV). Sobald am Arbeitsplatz der Lärmexpositionspegel über 85 dB liegt, ist das Tragen von Gehörschutz verpflichtend. Dieser Wert ist der sogenannte Expositionsgrenzwert und stellt die gesetzliche Obergrenze dar, ab der das Gehör akut gefährdet ist.

Bereits ab einem Acht-Stunden-Lärmexpositionspegel von 80 dB – dem sogenannten Auslösewert – müssen Arbeitgeber:innen

  • Gehörschutz kostenlos zur Verfügung stellen,
  • die Beschäftigten entsprechend unterweisen.

Sobald jedoch der Grenzwert von 85 dB überschritten wird, ist das Tragen von Gehörschutz verpflichtend – unabhängig davon, ob die betroffene Person subjektiv eine Belastung wahrnimmt oder nicht. Spitzenlärm (Lc,peak) über 137 dB ist akut gefährlich und erfordert sofortigen Schutz.

Schallpegel unterschiedlicher Lärmquellen; Bildcredit: lwptm / AUVA

Lärm am Arbeitsplatz muss unter Berücksichtigung des Stands der Technik auf das niedrigste in der Praxis vertretbare Niveau gesenkt werden. Gemäß dem im Arbeitnehmer:innenschutz geltenden STOP-Prinzip der Gefahrenvermeidung sollen in erster Linie Lärmquellen vermieden oder substituiert (S) werden. Danach kommen technische (T) und organisatorische (O) Maßnahmen zum Einsatz. Erst wenn diese nicht ausreichen, um die Beschäftigten vor der schädigenden Wirkung von Lärm zu schützen, wird als personenbezogene Maßnahme (P) die Persönliche Schutzausrüstung (PSA) in Form von Gehörschutz verwendet.

Welcher Gehörschutz ist geeignet und worauf muss geachtet werden?

Kapselgehörschutz WNA 200/F, Akku-Maschinen Taschenset 18 V ABS/ABH/ASS COMPACT M-CUBE, M-CUBE Taschenset ABS/ABH/ASS, Akku-Schlagschrauber ASS 18-1/2 Zoll COMPACT M-CUBE, Akku Li-Ion 18 V BASIC M-CUBE, Mauer, Baustelle, 0899102380, Schutzbrille Cetus X-treme, 0899102382, Schutzbrille Cetus X-treme 65KB, 0899300430

Welcher Gehörschutztyp für den jeweiligen beruflichen Zweck geeignet ist, kann nicht pauschal beantwortet werden. Neben der Auswahl des Gehörschutzes abhängig vom Lärmexpositionspegel am Arbeitsplatz, spielen auch die Anforderungen im konkreten Arbeitsumfeld bzw. die jeweils auszuführenden Tätigkeiten eine Rolle.

Intermittierende Lärmbelastung erfordert einen Gehörschutz, der rasch auf- und abgesetzt werden kann (also eher Kapselgehörschutz und keine Dehnschaumstöpsel). In Arbeitsbereichen, in denen Kommunikation notwendig ist, empfiehlt sich z. B. ein Gehörschutz mit eher linearer Dämmkurve.

Ein in der EU zugelassener Gehörschutz muss auf jeden Fall CE-gekennzeichnet sein und der ÖNORM EN 352 entsprechen. Welche Schalldämmung ein Gehörschutz in den verschiedenen Frequenzen hat, wird auf der Verpackung bzw. in der Benutzerinformation angegeben.

Grundsätzlich stehen verschiedene Gehörschutzarten zur Verfügung. Während sich Kapselgehörschutz für kürzere Tragezeiten oder enge Gehörgänge eignet, sind Gehörschutzstöpsel – etwa aus Dehnschaum oder als Lamellenstöpsel – bei längerer Lärmexposition oder bei größerer körperlicher Anstrengung von Vorteil.

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Wichtiger Hinweis:

Musikkopfhörer oder Telefon-Headsets sind kein geeigneter Gehörschutz! Sie sind nicht als Gehörschutz zertifiziert und weisen daher möglicherweise nicht die erforderliche Schalldämmung auf, um vor Lärm am Arbeitsplatz zu schützen.

Herausforderung Dehnschaumstöpsel

Dehnschaumstöpsel sind im beruflichen Alltag weit verbreitet. Oft wird dabei jedoch durch falsches Einsetzen die vom Hersteller angegebene Dämmwirkung bei weitem nicht erreicht und es kann trotz Verwendung des Gehörschutzes zu einer Schädigung des Innenohrs kommen.

Das richtige Einsetzen ist ein verpflichtender Teil der Unterweisung für die Mitarbeiter:innen. Wie es richtig geht, zeigen das AUVA-Merkblatt M 701 Gehörschutzstöpsel bzw. das AUVA-Video: „Richtiges Einsetzen von Gehörschutzstöpseln“:

Spezialfall: angepasster Gehörschutz

Aus arbeitsmedizinischer Sicht ist der individuell angepasste Gehörschutz (Otoplastik) prinzipiell die beste Wahl. Eine Otoplastik bietet in der Regel den höchsten Tragekomfort und erhält das Sprachverstehen weitgehend. Das führt zu einer höheren Akzeptanz und damit auch zu einer höheren Tragequote bei den Beschäftigten. Was jedoch bei Otoplastiken zu berücksichtigen ist, ist die erforderliche regelmäßige Funktionsprüfung. Diese ist einmalig vor dem ersten Einsatz und anschließend alle zwei Jahre erforderlich, um sicherzustellen, dass die Otoplastik den Gehörgang gut abdichtet und tatsächlich die vom Hersteller angegebene Dämmleistung erbringt.

Fazit: Der beste Gehörschutz schützt nicht, wenn er nicht getragen wird

Lärm ist nicht nur belastend, sondern kann das Gehör dauerhaft und unwiederbringlich schädigen. Ein wirksames Lärmschutzkonzept beginnt mit technischen und organisatorischen Maßnahmen und endet beim individuell passenden Gehörschutz. Entscheidend ist: Der Gehörschutz ist nur dann wirksam, wenn er sorgfältig ausgewählt, korrekt eingesetzt und über die gesamte Dauer der Lärmbelastung getragen wird. Binden Sie am besten Sicherheitsvertrauenspersonen bei der Neuanschaffung von Gehörschutz in die Auswahl ein – denn nur ein Gehörschutz, der konsequent von den Mitarbeitenden genutzt wird, kann seine Schutzfunktion erfüllen.

Wir danken Dr. Gilbert Engin-Deniz, Arbeitsmediziner in der AUVA-Landesstelle Wien, für seine wertvolle Expertise und die freundliche Bereitstellung dieses Beitrags!

Weitere Informationen und Beratung zum Thema Lärm und Gehörschutz erhalten Sie beim Präventionsteam Ihrer zuständigen AUVA-Landesstelle. Hintergründe, Praxistipps und AUVA-Angebote finden Sie auch im AUVA-Merkblatt M.plus 700 „Gehörschutz“ oder online unter www.auva.at/laerm bzw. auf dem AUVA-Präventionsblog – unter „Stille Revolution: Sicheres und gesundes Hören am Arbeitsplatz“.

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