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Die Vorschriften zur Verarbeitung von Verbindungsprodukten im Stahlbau sind zahlreich, komplex und verwirrend. Ich erläutere Ihnen deshalb in diesem Beitrag, woher die Normen kommen, welche Sie kennen müssen und was sie für die Praxis bedeuten.
Warum Entscheidungen des Europäischen Komitee für Normierung für Sie von Bedeutung sind
Fachleuten ist dieses unter dem Kürzel CEN (Comité Européen de Normalisation) bekannt. Als eine der drei großen Normungsorganisationen in Europa ist es für europäische Normen (EN) in vielen technischen Bereichen verantwortlich. Die Mitglieder – darunter auch Österreich – arbeiten zusammen, um Standards in verschiedenen Industrie- und Dienstleistungsbereichen zu entwickeln. Ziel ist es unter anderem, Handelshemmnisse zu beseitigen und europäisches Wachstum und Innovationen zu fördern.
So theoretisch und abgehoben das für Sie erscheinen mag – die Entscheidungen des CEN haben unmittelbare Auswirkungen auf österreichische Unternehmen und damit auf Sie! Denn eine Europäische Norm muss unverändert in das nationale Normenwerk übernommen werden. In Österreich werden sie als ÖNORM EN angeführt.
Rund 90 Prozent aller ÖNORMEN sind heute europäischen Ursprungs!
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Verbindungsprodukte wählen nach EN 1993
Als Stahlbauer sind Sie von der europäischen Norm EN 1993 (auch Eurocode 3 genannt) direkt betroffen. Denn sie gibt die Standards zur Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten und Stahlbauteilen vor. Diese stellen Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit, die Tragfähigkeit, die Dauerhaftigkeit und den Feuerwiderstand von Tragwerken aus Stahl.
In Bezug auf die Verwendung von Verbindungselementen sollten Sie vor allem eine der zahlreichen Teilnormen kennen: die EN 1993-1-8. Gemäß dieser Norm werden Schraubenverbindungen entsprechend der Belastung (Scherverbindungen, Zugverbindungen) mit und ohne Vorspannung (Zustand der Schraubenverbindung) nach Kategorien eingeteilt.
„Beispielsweise besagt sie bei HV-Schrauben, dass nur komplette Garnituren (Schrauben – Muttern – Scheiben) eines Herstellers zu verwenden sind.“
Gerald Fessl, Würth Produktmanager
Wann welche Schraubenverbindung eingesetzt werden darf: EN 1090
Entsprechend der zum Eurocode 3 mitgeltenden Ausführungsnorm DIN EN 1090-2 sind für nicht planmäßig vorgespannte Schraubenverbindungen Produkte nach EN 15048-1 und für planmäßig vorspannbare Schraubenverbindungen lediglich Garnituren nach EN 14399-1 vorgeschrieben. Garnituren nach 14399-1 dürfen ebenfalls für nicht planmäßig vorgespannte Schraubenverbindungen eingesetzt werden.
Alle Stahlbauer, die im bauaufsichtlichen Bereich arbeiten, müssen nach DIN EN 1090-1 ihre werkeigene Produktionskontrolle von einer notifizierten Stelle zertifizieren lassen. Dabei spielte in der Vergangenheit bei der Erteilung der Herstellerqualifikation (A bis E) der schweißfachmännische Nachweis die maßgebliche Rolle. Dem wird in Zukunft zusätzlich zu den Ausführungsklassen (EXC 1 – EXC 4) bei der Zertifizierung der Werkseigenen Produktionskontrolle (WPK) für Fachbetriebe der Bereich „Montage/mechanische Verbindungsmittel“ eine gleichwertige Bedeutung zugesprochen. Dabei erlangt der Fachbetrieb je nach Zertifizierung die Qualifikation bzw. den Eignungsnachweis Montagen im Stahlbau auszuführen. Dafür brauchen Sie Kenntnis über den Inhalt der neuen Normen, qualifiziertes Personal, dokumentierte Prozesse und regelkonforme Produkte.
Warum Sie von der Bauproduktenverordnung gehört haben sollten
Die Bauproduktenverordnung (kurz BauPVO) betrifft in erster Linie die Hersteller von Verbindungselementen, von denen Sie als Stahlbauer Ihre Produkte beziehen. Denn sie legt die Bedingungen für das in Verkehr bringen von Bauprodukten durch die Aufstellung von harmonisierten Regeln und deren CE-Kennzeichnung fest.
Dabei steht die CE-Kennzeichnung nicht mehr für die Übereinstimmung eines Produktes mit den Bestimmungen einer harmonisierten technischen Spezifikation (z.B. DIN EN 14399-1 HV-Garnituren) sondern für die Konformität des Produktes mit der erklärten Leistung. Die CE-Kennzeichnung ist verpflichtend an solchen Bauprodukten anzubringen, für die der Hersteller eine Leistungserklärung erstellt hat.
Beispiel: Wenn Sie für ein Stahlbauprojekt Bauprodukte anschaffen, müssen diese bestimmte Kriterien erfüllen, damit z.B. die statische Sicherheit gewährleistet werden kann. Aufgrund der BauPVO ist der Hersteller verpflichtet, die Produkte einer CE-Kennzeichnung zu unterziehen. Somit können Sie bei der Auswahl von Bauprodukten mit CE-Kennzeichnung darauf vertrauen, dass alle Bestimmungen eingehalten wurden.
Wie man sichergehen kann, dass Schraube und Mutter zusammenpassen
Die einfachste Lösung ist, Sie verwenden komplette Garnituren. Dabei unterscheidet man HV-Garnituren (hochfest vorgespannte Schraubenverbindungen) und SB-Garnituren (nicht vorgespannte Schraubenverbindungen).
Verwendet werden solche Garnituren zum Beispiel für den Bau von Brücken, Hallen, Fluchttreppen und anderen Stahlkonstruktionen, also in Bereichen, wo 100-prozentige Verlässlichkeit gegeben sein muss. So ist das Stahlbauunternehmen auch verpflichtet, genau zu dokumentieren, welche Chargen wann und wo in einem Bauwerk verbaut wurden.
Würth hat die Herstellerzertifizierung nach DIN EN 15048 erneut erfolgreich bestanden. Das bedeutet für Kunden, dass geforderte Verpackungseinheiten inklusive Chargennummer erhältlich sind. Durch die konzerninterne SAP-seitige Chargenfindung ist Würth in der Lage, exakt und lückenlos den Weg einer jeden einzelnen Garnitur bis zum Kunden nachzuvollziehen. Um dieses Service aufrechterhalten zu können sind diese Produktgruppen vom Rückwarenprozess ausgenommen.
Weiterbildung an der Würth Akademie
Nützen Sie das Seminarangebot der Würth Akademie für Ihre fachliche Weiterbildung. Seminarinhalt und Anmeldung finden Sie hier:
Würth Akademie
Weitere Informationen finden Sie in unseren Stahlbaubroschüren
Produkte für den Stahlbau, Richtlinie Befestigungstechnik – Dübeltechnik (1. Ausgabe Dezember 2020, herausgegeben vom Österreichischen Stahlbauverband unter Mitwirkung von Würth)
Publikationen Österreichischer Stahlbauverband:
ÖSTV-Richtlinie 007 ‚Schraubanweisungen für vorgespannte Schraubenverbindungen‘, Ausgabe November 2022
Im komplexen Gefüge des Stahlbaus sind die zahlreichen Vorschriften und Normen für Verbindungsprodukte von entscheidender Bedeutung. Das Europäische Komitee für Normierung (CEN) spielt dabei eine Schlüsselrolle und beeinflusst unmittelbar österreichische Unternehmen. Die Kenntnis der EN 1993 und insbesondere der EN 1993-1-8 ist für Stahlbauer unerlässlich, da sie die Standards für die Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten festlegt. Die Einhaltung dieser Normen, gepaart mit der Beachtung von DIN EN 1090-2 und BauPVO, gewährleistet nicht nur Sicherheit, sondern auch Rückverfolgbarkeit und Konformität bei Verbindungselementen im Stahlbau.